Mi. Apr 24th, 2024
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Auf der Main Line von Colombo nach Ella

Sri Lankas Hinterland erlebt man am eindrucksvollsten auf einer Zugfahrt: Die 300 Kilometer lange Main Line ist eine Reise durch eine phantastische Naturlandschaft – in die koloniale Vergangenheit des im Indischen Ozean liegenden Inselstaates.

„Vadai, frisches gebackenes Vadai“, ruft Nileme Kumare und deutet mit dem Finger auf seinen kleinen hölzernen Bauchladen, den er durch das volle Abteil schiebt. Während die meisten Einheimischen ausreichend Proviant mitgebracht haben und desinteressiert wegschauen, freue ich mich über das Angebot und ordere bei dem Straßenhändler eine Tüte der knusprigen Linsenplätzchen, die aussehen wie Donuts, sowie  eine Kokosnuss zur Erfrischung. Seit 20 Jahren verkauft der 44-Jährige auf der Main Line – Sri Lankas erste Eisenbahnverbindung von Colomba in das Hinterland nach Ella – kleine Snacks an die Reisenden. „Zwei bis drei wollen die meisten“, sagt er, davon würde man satt. Und recht hat er. Die in Öl gebackenen Kringel füllen meinen Magen und die Kokosnuss, die der fliegende Händler mir reicht, löscht Durst und Brand – Nilemes Vadai sind chilischarf!

Eine Stunde später – der Bauchladen ist leer, alle Waren verkauft – setzt sich Nileme neben mich. Sein Arbeitsplatz sei „der schönste der Welt“. Und wirklich: Wir fahren über einen grünen Teppich, der sich schier endlos über das zentrale Bergland Sri Lankas wellt – seit 2010 Weltnaturerbe der UNESCO. An manchen Stellen wachsen die Teebüsche so dicht an die Gleise heran, dass die Passagiere den Pflückerinnen in ihren leuchtend bunten Saris bei der Ernte auf die Hände schauen können. Dann wieder rattert der Zug über eine Eisenbrücke, von der man auf terrassenförmig angelegte Reisfelder blickt – oder es geht schnaufend durch immergrüne, duftende Zimtwälder.

In Rambukkana steigt ein junger Mann mit Gitarre ein und gesellt sich zu uns. Lushanta ist ein guter Bekannter von Nileme. Weil Jobs für Lehrer rar sind, verdient er sich mit Musik etwas dazu. Die Eisenbahnstrecke stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und ist eine „Meisterleistung britischer Ingenieurskunst“, klärt mich Lushanta auf. Anfangs beförderte der Dampfzug kostbaren Zimt, Pfeffer und Muskatnüsse von der alten Königsstadt Kandy zum Hafen von Colombo. Mit dem Ausbau der Teeplantagen wuchs die Trasse dann in die höher gelegenen, hügeligen Regionen. 46 kleine Tunnel und ein gutes Dutzend Eisenbrücken und Viadukte waren hierfür notwendig.

Auf halber Strecke fährt der Zug kreischend in den Bahnhof von Kandy ein. Die alte Königsstadt liegt im Schatten der Berge und ist bis heute ein wichtiger Wallfahrtsort. Eine Gruppe Rucksacktouristen springt auf den Bahnsteig, Schulmädchen in ihrer weißen Uniform steigen aus, hinter ihnen ein Pilger mit einem Korb voller blauer Lotusblüten. „Eine Opfergabe für die Mönche des Dalada Maligwa“, weiß Lushanta. Der Tempel beherbergt die bedeutendste buddhistische Reliquie: In einem kostbaren Schrein, umgeben von sieben Hüllen aus Gold und Elfenbein, gebettet auf einer Lotusblüte, ruht er – der Backenzahn Buddhas. Drei Mal am Tag wird der Schrein geöffnet und die Mönche reichen die Geschenke weiter: Ein Ritual, dass auch viele Schaulustige anlockt – sie hoffen, einen Blick auf Buddhas Zahn zu erhaschen.

Bis zur Endstation, Ella, sind es noch rund 170 Kilometer. Sechs Stunden braucht die Bahn für die stetig steiler werdende Reststrecke. Immer wieder bremsen schwindelerregende Spiralkurven die Fahrt und manche Steigungen drosselt das Tempo derart, dass man „getrost aussteigen und nebenher laufen könnte“, schmunzelt Nileme. Mir ist das Tempo gerade recht, denn die Aussichten auf der schönsten Terrasse Asiens sind grandios.

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Von sn7376

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