Di. Apr 23rd, 2024
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Es ist bunt, laut und kalorienreich: Das chinesische Neujahrsfest in London, auch Frühlingsfest genannt, gilt als das größte außerhalb Asiens. Das traditionelle Fest fällt auf den ersten Tag des ersten Monats im chinesischen Kalender. Die Bräuche des Frühlingsfestes werden bereits seit einigen Jahrtausenden praktiziert und sind bis heute ein großer Bestandteil der chinesischen Kultur.

„Du musst mitkommen“, drängte Mi Lynn mich, „sonst sind meine Eltern stinksauer“. Denn zum chinesischen Neujahrsfest kommt eben die ganze Familie zusammen, im Schlepptau oft auch Freunde. Fast drei Milliarden Menschen machen sich allein in China zwischen dem 21. Januar und 21. Februar auf den Weg nach Hause, manche nehmen dabei eine mehrtägige Reise auf sich.

Da ist ein Ticket nach London, wo das größte chinesische Neujahrsfest außerhalb Asiens stattfindet, eine Kleinigkeit. Mi Lynns Eltern betreiben dort ein Restaurant – also auf in die britische Hauptstadt.

Glücksfarbe vertreibt auch Dämonen

In Soho angekommen, erwartet mich Mi Lynn unter der Pagode, die den Eingang zu Londons Chinatown markiert. Die Geschäfte links und rechts sind schon geschmückt: Rote Bänder mit goldenen Münzen hängen am Eingang – sie verheißen Reichtum fürs neue Jahr. Rostfarbene Löwen wachen über dem Eingang über das Haus. In den Schaufenstern der Restaurants hängen Drachen neben den rotlackierten Enten – auch sie aus rotem und gelbem Papier kunstvoll gefaltet.

„Rot ist bei uns eine Glücksfarbe“, erklärt mir Mi Lynn, „sie vertreibt die Dämonen“. Sie spielt sowohl bei der Dekoration der Häuser und Geschäfte eine wichtige Rolle, als auch bei den traditionellen Kostümen. Selbst die Gerichte des Festtagsmenüs werden von der Farbe dominiert.

Davon überzeugt mich am nächsten Tag ein Spaziergang mit der Familie durch die Gerrard Street, an der dutzende kleine Garküchen aufgebaut wurden. Mi Lynn und ihre Eltern, Brüder, Onkel und Tanten können keine zwei Meter gehen, ohne in ein kurzes Gespräch mit Nachbarn, Freunden oder weit entfernten Verwandten verwickelt zu werden. Währenddessen studiere ich in Ruhe das Angebot.

Es gibt Lotuswurzeln gefüllt mit Klebereis, Teigtaschen mit roter Bohnenpaste oder marinierte und scharf gegrillte Chickenwings und Spareribs. Rettich- und Mondkuchen stapeln sich auf dem einen Stand, während nebenan ein rot glänzendes Spanferkel für den Verzehr zubereitet wird.

Dabei hat jedes Gericht seine Bedeutung. Die in dunkler Sojasauce gekochten Eier stehen, ebenso wie die Mandarinen und Orangen, durch ihre runde Form symbolisch für die Einheit der Familie. Ein ganzer Fisch wird für den Wohlstand verspeist. Garnelen versprechen Freude und Glück im neuen Jahr.

An einer Garküche, vor der knallrote Entenleiber hängen, lasse ich mir Fleisch, kross gebratene Haut und ein paar Frühlingszwiebeln in einen hauchdünnen Pfannkuchen wickeln – und dippe meine Pekingente in eine kräftige Sojasauce.

Krach und Fabelwesen gegen böse Geister

Auf der Bühne nebenan dröhnt aus einer Anlage traditionelle chinesische Musik, zu der in Rot gekleidete Mädchen tanzen. Es nähern sich von weitem die lauten Klänge des herankommenden Umzugs: Ein zehn Meter langer Drache, von fünf Männern an Stöcken getragen, schwingt sich durch die Straße und wird von einer johlenden Menge begleitet. Der Krach der Trommeln und Becken soll die bösen Geister aufscheuchen – und das Fabelwesen sie vertreiben.

My Linn und ich folgen der farbenfrohen Neujahrsparade zurück zum Trafalgar Square, die am Vormittag vom Bürgermeister Londons auf den Weg geschickt wurde. Der Verkehrsknotenpunkt der britischen Hauptstadt ist ganz in der Hand der Feiernden. Fast scheint es, als ob sich die gesamte chinesische Community Londons – immerhin rund 125.000 Menschen – hier versammelt hätte. Zum krönenden Abschluss des chinesischen Neujahrsfestes gibt es ein gigantisches, nicht enden wollendes Feuerwerk.

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Von sn7376

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