Märkte, Musik, Museen
Die Beine wollen einfach nicht wie ich: Geh ich mit dem rechten nach vorn, will das linke zurück, mache ich einen Schritt nach links, rutscht mir das Standbein nach rechts. Aus dem unfreiwilligen Spagat muss mich Kerstin befreien. Mit drei kraftvollen Schwüngen kommt sie angesaust und bremst mit den Kufen geschickt ab. Mühsam versuche ich mich an ihrer gereichten Hand aufzurichten.
„Das wird heuer wohl nichts mehr“, sagt meine Schwester mit mitleidsvollem Blick, während sie mich von der Eisfläche führt. „Komm lass uns einen Glühwein trinken“. Wir sind am Christkindelmarkt am Rathausplatz in Wien – einer von rund 30 Weihnachtsmärkten vor historischer Kulisse der österreichischen Hauptstadt. Kerstin wollte eigentlich auf der rund 3000 Quadratmeter großen Eisfläche ein paar Runden mit mir drehen. „Bewegung wird dir gut tun, Schwesterherz“. Doch meine Beine zieht es wohl eher zu einer der vielen Genussstände. Unter den mit mehr als 1000 Lampen mystisch angestrahlten Platanen warten sie auf Besucher.
Glühwein, Apfelpunsch und Rasuchgoldengel
Seit 1975 kommen jedes Jahr an die drei Millionen Besucher zu den rund 150 festlich geschmückten Hütten, an denen glänzende Christbaumkugeln und Rauschgoldengel, gebrannte Maronen und duftende Lebkuchen, würziger Glühwein oder Apfelpunsch angeboten werden. Neben der Eisbahn – dessen Fläche nach Weihnachten, wenn die Stände abgebaut sind, verdoppelt wird – sorgen Chöre, Turmbläser und der staatliche, rund 20 Meter hohe Christbaum für Weihnachtsfeeling.
Nach Glühwein und Kaiserschmarrn muss doch noch Bewegung sein, aber nicht auf dem Eis. Sondern entlang des „schönsten Boulevards der Welt“, der Ringstraße. Auf der 5,3 Kilometer Straße, die als städtebauliches Gesamtkunstwerk zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, reihen sich die Stätten der Hochkultur wie Perlen an der Schnur. Das Theater an der Wien, wo Johann Strauss 1885 seinen Zigeunerbaron uraufführte – oder die Wiener Staatsoper, an der Mozart seine Erfolge feierte und die im Winter Schauplatz des berühmten Wiener Opernballs ist.
Auch eine Reihe bedeutender Museen gibt es an Burg-, Opern- oder Kärntner Ring. Gerade in der kalten Jahreszeit, wenn es draußen ungemütlich wird, kann man hier den ganzen Tag verbringen.
Bruegel, Klimt und Thonet
Das Naturhistorische Museum gehört mit seinen rund 30 Millionen Exponaten zu den Besten der Welt. Wenig später bestaunen wir darin die Venus von Willendorf, eine fast 30 000 Jahre alte Statue. Im Kunsthistorischen Museum läuft – noch bis Ende Januar 2019 – die große Bruegel-Ausstellung mit mehr als 100 Exponaten. Und das Museum für angewandte Kunst führt mit einer Reihe Exponaten wie den Bugholzmöbeln des berühmten Tischlers Michael Thonet oder dem blattvergoldete Entwurf Gustav Klimts für den Fries des Palais Stoclet in Brüssel („Ein Highlight des Jugendstils“) in das Wien um 1900.
Ein Kulturgut ersten Ranges sind in Wien die Kaffeehäuser. Rund 1100 gibt es in der Hauptstadt, dazu 1000 Espresso-Bars und mehr als 200 Konditoreien. Während es draußen jetzt ungemütlich wird, sitzen wir beim Hoflieferanten Sacher und wärmen uns an einer Tasse heißer Melange und – was sonst – einer Original Sachertorte.