Fr. Apr 26th, 2024
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Die Quelle der Leichtigkeit

Eine Stadt wie keine andere in Fernost: die Millionen-Metropole Yangon in Myanmar oder Burma – fast magisch, doch auch teilweise leicht marode. Macht nichts: Das Lächeln der Menschen übertüncht alles. Trotz hektischen Zeiten im Straßenverkehr und der Konfrontation mit einer völlig fremden Kultur, setzt hier ein Gefühl von Ruhe ein. Eins steht fest: eine Reise in das geheimnisvolle und noch weitgehend unbekannte Land prägt nicht nur den Reisepass mit einem Stempel, sondern viel mehr den eigenen Geist.

Das Leuchten der Seele

„Shwe“. Auf Burmesisch heißt das Gold. Doch das Wort steht für mehr: „Shwe“ ist ein Lebensgefühl – und Licht über dem Land. Es steht auch für das sonnige, friedfertige Wesen seiner Menschen. Und ihre innere Fröhlichkeit und Gelassenheit. „Shwe“ heißt auch „Leuchten der Seele“ – und ist Teil jener Stimmung, die ich nach jedem Myanmar-Besuch wochenlang in mir getragen habe.

„Mingalaba“, ruft mir eine Kinderstimme entgegen, „Hast Du genug Wasser dabei?“ Su Nay, die elfjährige Tochter meiner burmesischen Freunde, strahlt – und will mir die Altstadt zeigen. Wir schlendern durch enge, dicht bebaute Straßen. Quirliges Leben – die ganze Stadt ein einziger, bunter Markt. Mit Garküchen und üppig bestückten Verkaufsständen, soweit das Auge reicht. Dazwischen spielende Kinder, drängelnde Tuk-Tuks, wütend hupende Autos. Was wir in Deutschland als Stress oder Hektik wahrnehmen ist hier alles andere als das: Die Menschen sind unaufdringlich freundlich, ruhig und gelassen. Su Nay führt mich durch eine enge Gasse in einen Hinterhof. „Hier gibt es die besten Shan-Nudeln der Stadt“, schwärmt meine kleine Begleiterin. Ich wage einen Versuch – und bin begeistert. Auch Myaung San, die betagte Besitzerin der winzigen Garküche, freut sich über unseren Besuch. 500 Kyat, umgerechnet 35 Cent, will sie – aber kein Trinkgeld.

Das nächste Ziel: die Shwedagon-Pagode, mehr als 2500 Jahre alt, ist die höchste Erhebung der Stadt und das Wahrzeichen Myanmars – von fast jedem Punkt der fünf Millionen Menschen zählenden Metropole aus zu sehen. Am Fuß einer der vier Aufgänge ziehe ich meine Schuhe aus und steige barfuß die überdachten Stufen hinauf. Angenehm kühl ist es hier. Und plötzlich ist sie da: Ruhe, nichts als Ruhe. Kein Hupen, kein Lärm, kein Gestank. Vor mir eröffnet sich ein Bild voll visueller Reize, das mich den Atem anhalten lässt. Und eine Gänsehaut beschert – ich bin in einer mystischen Welt angelangt.

Prachtvolles Myanmar

Im Zentrum ragt die vollständig mit Blattgold überzogene Hauptpagode weit in den Himmel. Tausende Edelsteine und bimmelnde Glöckchen auf ihrer Spitze glitzern im Sonnenlicht. Das weitläufige Tempelgelände ist mit buntem Mosaik gepflastert und gesäumt von zahlreichen Tempeln aller Größen. Alles ist unglaublich prachtvoll, hell und bunt.

Mönche, Nonnen und Besucher bevölkern das Areal. Da gibt es bunt gekleidete Gruppen, die tanzen und singen, genauso wie still betende Menschen – neben umtriebigen Familien beim Picknick. Religiöse Handlungen und Alltagsleben gehören im Buddhismus zusammen. Und trotzdem herrscht Stille. Für mich ist eben dieses Gefühl der Stille trotz des farbenfrohen Lebens eine wahrliche Gänsehaut-Erfahrung.

Ich bleibe bis zum Abend. Im Dunkeln verströmt die angestrahlte Pagode einen warmen Glanz – und die laue Nachtluft verleiht dem Ganzen eine einzigartige Stimmung. „Ich heiße Min Kyaw“, spricht mich ein junger Mönch an. „Komm mit, ich zeige Dir was Besonderes.“ Der Glatzkopf, vielleicht 20 Jahre alt, führt mich zu einer Stelle auf dem Tempelgelände, von der aus ich den 76-karätigen Diamanten auf der Spitze der Hauptpagode ansehen soll. Aus dem richtigen Blickwinkel wirft der Edelstein einen Strahl auf einen anderen Diamanten – und dieser wiederum auf einen dritten. Ein Dreieck wird sichtbar – aus leuchtend farbigen Lichtstrahlen, das ich ohne ihn niemals entdeckt hätte. „Shwe“.

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Von sn7376

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