In kaum einer anderen Stadt ist die Liste der Sehenswürdigkeiten so lang wie in der ewigen Stadt – Rom! Kenner durchstreifen Italiens Metropole am Abend und in die Nacht hinein: Dann ist der Verkehr erträglich – und die meisten Touristen von den Straßen verschwunden.
Roberta gibt Gas. Der smaragdgrüne Cinquecento heult auf – und quält sich die enge Via di Santa Sabina hoch. „Kennt Ihr Roms berühmtestes Loch?“, hatte meine Schwägerin am Nachmittag gefragt. „Nein? Dann zeig ich es euch heute Abend“. Die spärlich beleuchtete Straße führt uns hoch auf den Aventin, einen der sieben Hügel, auf dem die Ewige Stadt gebaut ist. An der Piazza dei Cavalieri di Malta halten wir vor der Botschaft des Malteserordens und steigen aus.
„Bitte schön“, grinst Roberta, „Darf ich vorstellen? Il Buco, das Loch von Rom, durchschauen und verzaubern lassen“. Der Blick durch das Schlüsselloch der Holzpforte Nummer 4 ist tatsächlich einmalig: Umrahmt von einer dicht bewachsenen Pergola, leuchtet am Horizont die Kuppel des rund 3,5 Kilometer entfernten Petersdom. Eine romantische, ja fast kitschige Postkartenszenerie.
Es dauert nicht lange, da tippt mir ein junger Mann auf die Schulter und deutet an, dass er nun dran sei. Roberta sitzt schon im Fiat und hupt: Sie will uns auf einer Rundtour mit dem Auto die Schönheiten ihrer Stadt zeigen – wir haben viel vor, denn die Liste historisch bedeutsamer Stätten und Sehenswürdigkeiten Roms ist schier endlos.
Kolosseum und Kaiserforum, Pantheon und Petersdom, Villa Borghia und Via Appia – von der Antike über die Renaissance bis zum Barock vereint Rom Zeugnisse einer fast dreitausendjährigen Geschichte. „Mehr Denkmäler als Häuser“ – so sah der 1990 gestorbene Schriftsteller Alberto Moravia seine Heimatstadt. Wer die sehen will, ohne auf Massen von Touristen zu stoßen, macht es am besten wie wir: Am späten Abend, wenn die durstigen Urlauber in einer der vielen Wein-Bars der Stadt sitzen.
Im Herzen des römischen Imperiums
Unser erster Stopp: Der Circus Maximus. Die um 600 vor Christus erbaute Arena – 600 Meter lang, 140 Meter breit und Platz für 250 000 Zuschauer – ist jetzt fast menschenleer; und ich kann unten, auf der mit Gras bewachsenen Bahn, die Rennwagen vor meinen geistigen Auge vorbeipreschen sehen. Plötzlich dröhnt sogar Jubel und Geschrei an mein Ohr – eine Gruppe Jungs nutzt die antike Sehenswürdigkeit frech als Bolzplatz.
Der nächste Halt: Das Forum Romanum. Von der Via Monte Tarpeo hat man einen tollen Blick auf das Herz des römischen Imperiums und trifft die heimlichen Herren der Stadt: Dutzende streunende Katzen, die sich tagsüber zwischen den Ruinen verstecken und am Abend ihre Runden drehen. Nur ein paar Meter weiter: Der Kapitolsplatz, von keinem geringeren als Michelangelo entworfen.
Wie bei vielen anderen Sehenswürdigkeiten, die wir am Abend noch streifen wie etwa Piazza Navonna, Castel Sant Angelo, Fontana di Trevi oder die spanische Treppe, offenbart sich Schönheit und Symmetrie der Piazza del Campidoglio mit Freitreppe, Reiterstatue und Palazzi so richtig erst in der Nacht, wenn die Fassaden hübsch beleuchtet und die Straßen nicht überlaufen sind.
Erst Scherbenhaufen, dann Schlachthof und jetzt Szene-Viertel: Testaccio
Gegen 23.30 Uhr haben wir genug – und Hunger. „Lasst uns zum Monte Testaccio gehen“, schlägt unsere Begleitung vor. Der achte Hügel Roms, aufgetürmt mit abertausenden Amphorenscherben, war Müllhalde des alten Roms, dann Schlachthof und jetzt hippes Szene-Viertel – mit Kneipen, Diskotheken und Kleinkunstbühnen. Wir landen im Nuovo Mundo, wo wir hauchdünne, superknusprige Pizzas serviert bekommen. Der Kellner hat eine Zeit lang in Deutschland gearbeitet und gibt uns Touristen noch einen heißen Tipp: „Kennt Ihr Rom berühmtestes Loch?“, fragt er verschwörerisch. „Das müsst ihr euch ansehen“.